Pride-Month versus Stolzmonat – Wer ist Angreifer und wer Verteidiger?

Im Juni feiern seit einigen Jahren auch in Deutschland bestimmte Kreise ihre sexuelle Identität im Zeichen des Regenbogens mit dem sogenannten Pride-Month. Das nahmen Patrioten zum Anlass, im Jahr 2023 parallel dazu den Stolzmonat ins Leben zu rufen, um in gleicher Weise die nationale Identität zu feiern und ernteten massive Kritik. Schon das Aufkommen des in schwarz-rot-goldene Farben gehüllten Partypatriotismus im Zuge der 2006 in Deutschland ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft wurde von den üblichen Bedenkenträgern äußerst kritisch beäugt. Bereits im Jahr 2001 gab es eine heftige bis in den Bundestag hinein geführte Kontroverse über die Statthaftigkeit von Nationalstolz. Diese Frage kocht also alle paar Jahre wieder hoch. Wenn neuerdings Selbstbehauptung in sexueller Hinsicht ein Anlass für Pride ist, muss dann ein allen Anfeindungen trotzender offen gelebter Patriotismus nicht auch wieder ein Grund für ein stolz erhobenes Haupt sein dürfen?

Extrawurst

Der Pride-Month und die damit verbundenen Paraden sowie die Beflaggung öffentlicher Gebäude mit Regenbogenfahnen sind ein Import aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort ist das hissen von Fahnen, Militärparaden und Umzüge zu allen möglichen Anlässen eine Selbstverständlichkeit. Beispielsweise halten deutschstämmige Amerikaner in Erinnerung an das Ursprungland ihrer Ahnen alljährlich die Steuben-Parade ab:

In Deutschland ist die Sachlage historisch bedingt jedoch eine ganz andere. Paraden insbesondere Militärparaden sind komplett abgeschafft. Es gibt lediglich noch den Großen Zapfenstreich und selbst der wird immer wieder als „vordemokratisch“ attackiert.

Möchte man eine Militärparade im deutschen Stil sehen, muss man nach Chile blicken. Dort ist man weiterhin stolz darauf, im 19. Jahrhundert eine Heeresreform nach preußischem Vorbild durchgeführt zu haben und begeht das mit historischen Uniformen:

Üblich sind hierzulande lediglich noch regionale Umzüge bei Trachten- oder Schützenfesten sowie zu Karneval. Am bekanntesten sind dabei die Faschingsumzüge im Rheinland.

Wenn wie in den USA allerlei identitätsstiftende Paraden zu Ehren unterschiedlicher Gruppen und Anlässe abgehalten werden, dann ist es klar, dass auch die Bunten eine für sich beanspruchen. In Deutschland hingegen, wo es selbst zum Nationalfeiertag keine Parade gibt, reicht es für eine angemessen Sichtbarkeit der Bunten, wenn sie sich mit einem eigenen Festwagen in die bestehenden Karnevalsumzüge einreihen.

Die fünfte Jahreszeit fällt aus dem Rahmen und bietet damit Platz für alle. Es wimmelt von kostümierten Paradiesvögeln und viele Festwagen sind bereits politisch. Bei der Weiberfastnacht gibt es durch die symbolische Entmannung der anwesenden Herren mit dem Abschneiden der Krawatten auch feministisch-emanzipatorische Ansatzpunkte. In Anbetracht der jahreszeitlichen Temperaturen wäre zudem sichergestellt, dass sich die Bunten familiengerecht kleiden, was bei den sommerlichen Pride-Paraden ja häufig ein Stein des Anstoßes ist.

Eigentor

Das genau dies nicht passiert hat politische Gründe. Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land verwandelten die deutschen Fans das Land im Sommer 2006 in ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer.

Politiker und Prominente lavierten herum, sie selbst würden nicht Flagge zeigen, wollten es den Fans aber auch nicht absprechen, solange es keine nationalistischen Untertöne geben würde. Die Grünen hatten an ihrer Parteizentrale ein großes Banner gegen Nazis aufgehängt und die Regenbogenflagge gehisst.

Der Trend, die Nationalfarben mit dem Regenbogen zu ersetzen, verstärkte sich in den folgenden Jahren und fand seinen bisherigen Höhepunkt bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar im Jahr 2022. Die FIFA verbot das Tragen einer stilisierten Regenbogenarmbinde aus Neutralitätsgründen, die deutsche Nationalmannschaft hielt sich aus Protest beim Gruppenfoto vor dem Auftaktspiel den Mund zu, die damalige Bundesinnenministerin Faeser trug die Binde auf der Zuschauertribüne trotzdem und vermachte sie danach einem Museum als Exponat von angeblich zeitgeschichtlichem Rang.

Für die Akzeptanz von Homosexuellen im Fußball war die Aktion vermutlich ein Eigentor. Schwule gelten vielerorts als zu effeminiert für echten Fußball. Mit dem deutschen Vorrundenaus im Zeichen des Regenbogens dürfte sich dieses Vorurteil weltweit noch verstetigt haben. Und Deutschlands Tugendhuberei bei gleichzeitigem Betteln nach Erdgaslieferungen aus Katar wirft zudem ein schlechtes Licht auf die Bundesrepublik und wird entsprechend quittiert.

Eurovision Song Contest

Den Partypatriotismus setzt die linke Seite nicht nur im Fußball mit ausgrenzendem Nationalismus gleich, sondern ebenso bei Veranstaltungen wie dem Eurovision Song Contest. Und auch hier wurde die Regenbogenfahne als Ersatz für die Nationalfarben instrumentalisiert. Im Werbefilmchen der Veranstaltung des Jahres 2023 zeigten sich alle Teilnehmer mit ihrer jeweiligen Landesflagge, außer die Vertreter Deutschlands – die zeigten die Regenbogenfahne. Bei der Flaggenparade in der eigentlichen Sendung traten wieder alle Teilnehmer mit ihrer jeweiligen Landesflagge auf, abgesehen von den Vertretern Deutschlands, die hatten diesmal gar keine Flagge dabei – wohlgemerkt bei der Flaggenparade. Deutschland wurde zudem letzter. Die Kommentare in den alternativen Medien fielen erwartbar aus:

Pride statt Stolz

Im Jahr 2001 sagte der damalige CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer, er sei stolz, ein Deutscher zu sein. Was in anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit ist, gilt in Deutschland als Parole von Rechtsradikalen. Der damalige grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin warf Meyer daraufhin vor, „die Mentalität eines Skinheads“ zu besitzen. Die Debatte schwappte von den Medien bis in den Bundestag und sogar der damalige Bundespräsident Johannes Rau sah sich zu einer Stellungnahme bemüßigt: Man könne zwar froh oder dankbar darüber sein, ein Deutscher zu sein, aber stolz könne man nur auf das sein, was man selber vollbracht habe.

Diese Kompromissformel wird seitdem immer wieder zitiert. Konsequent weitergedacht würde das bedeuten, dass man sich auch nur für das verantwortlich fühlen könne, was man selbst verbrochen hat. Die Nachgeborenen könnten also getrost einen Schlußstrich unter die NS-Vergangenheit setzen. Doch da gilt dann plötzlich wieder eine Kollektivverantwortung.

In Deutschland wird schon lange versucht, klassische identitätsstiftende Merkmale in andere Formen zu überführen. Verfassungspatriotismus als Ersatz für Patriotismus. Abkehr von Deutschland dafür Hinwendung zu Europa. Negativer Sündenstolz auf die Vergangenheitsbewältigung im Land der Richter und Henker statt positiver Nationalstolz auf die Errungenschaften des Volks der Dichter und Denker. Auf den Punkt bringt diese Denkungsart das Lied „Be deutsch!“ von Jan Böhmermann mit dem Refrain: „We are proud of not being proud!“:

Im Gefolge dessen wird Nationalstolz als ausgrenzend verpönt und der Wunsch nach positiver Selbstidentifikation soll auf Pride für die eigene Toleranz umgeleitet werden.

„The first Pride was a Riot“

Die Politisierung von Pride-Paraden lassen sich die Bunten gerne gefallen, denn damit sind Privilegien verbunden. Solange die Veranstaltungen als politische Protestzüge gelten, weil es vor Jahrzehnten in den USA mal eine Razzia in einer Bar für Schwule gab, müssen die Bunten anders als Karnevalsvereine beispielsweise für die Straßenreinigung nicht selbst aufkommen. Allein in Berlin sind zur Beseitigung des beim Christopher-Street-Day anfallenden Mülls rund 140 städtische Beschäftigte mit 60 Fahrzeugen im Einsatz.

Es gibt auch Solidaritätsfahrten aus den großen Städten in die ostdeutsche Provinz zu den dortigen kleinen Pride-Paraden, um diese größer erscheinen zu lassen und ein Zeichen gegen rechts zu setzen. Vielleicht auch in der Hoffnung, medial ausschlachtbare Bilder von pöbelnden Gegenprotesten zu provozieren. Diese können zum Anlass genommen werden, die eigene Politisierung zu rechtfertigen und weitere rechtliche Besserstellung zu fordern. In großstädtische Viertel mit muslimischen Parallelgesellschaften hingegen traut man sich vorsichtshalber nicht.

Progressive Pride Flag

Die klassische Regenbogenfahne wird in jüngster Zeit vermehrt von der Progressive Pride Flag verdrängt. Diese treibt in den Regenbogen optisch einen Keil hinein, der für Farbige (= Außereuropäer) und Geschlechtsinkongruente stehen soll. Jener Keil spaltet die Bunten nicht nur symbolisch, sondern ganz konkret.

Spaltung

Zweite-Welle-Feministinnen wie Alice Schwarzer halten an der Zweigeschlechtlichkeit fest und sehen den Islamismus als Gefahr für Frauenrechte. Darum wird ihnen von queer-feministischen Aktivisten die Schuld zugeschoben, wenn Farbige und Bunte nicht zu kunterbunt verschmelzen. Beispielsweise als im Jahr 2023 ein abgelehnter Asylant am Rande einer Pride-Parade jemand Geschlechtsinkongruentes mit Todesfolge niederschlug. Der Tschetschene gab an, für den Angriff sei seine eigene nicht eingestandene Homosexualität ursächlich gewesen. Falls das mehr als eine Schutzbehauptung sein sollte, scheint ihn sein kultureller Hintergrund stärker geprägt zu haben als irgendwelche kritischen Artikel von Alice Schwarzer oder anderen.

Zweierlei Maß

Obwohl solche Gewalttaten in den schwersten Fällen häufig von Ausländern aus bestimmten Kulturkreisen begangen werden, sträuben sich queer-feministische Aktivisten, dies anzuerkennen. Jedenfalls sind solche Verbrechen ein Beleg für sie, dass Pride-Veranstaltungen trotz formaler Gleichberechtigung weiterhin notwendig seien.

Doch auch die Antifa überfällt am Rande von Demonstrationen Rechte und prügelt sie ins Koma. Als Vorwand dient ihnen ein bis zur Unkenntlichkeit zerdehnter Faschismusbegriff. Statistisch betrachtet werden Deutsche zudem generell deutlich häufiger Opfer von Gewalttaten durch Zuwanderer als umgekehrt und das obgleich es in Deutschland viel mehr Deutsche als Zuwanderer gibt. Der Narrensaum des gewaltbereiten Rechtsextremismus ist dementsprechend ein aufgebauschtes Problem.

Eine patriotische Stolz-Bewegung halte ich darum für genauso legitim oder sogar geboten, wenn man sich den selbstmörderischen Schulterschluss zwischen Queer-Feminismus und Postkolonialismus ansieht, der vielleicht Befreiung will, aber tatsächlich Zersetzung bringt.

Stolzmonat

Vom Umfeld der AfD wurde darum der Stolzmonat als Alternative zum Pride-Month ins Leben gerufen:

Das Symbol der Bewegung ist die Stolzflagge, bei der die schwarz-rot-goldenen Nationalfarben in einem feiner abgestuften Farbspektrum dargestellt werden als dies bei einer gewöhnlichen Deutschlandfahne üblich ist.

Aus der Mitte der Gesellschaft heraus hätte man dieses Kompromissangebot aufgreifen können. Die farblich feiner gefächerte Deutschlandfahne als ein Bekenntnis zu einem Nationalstaat basierend auf gemeinsamer Sprache, Geschichte und Kultur, der in seinem Spektrum auch Freiraum lässt für unsere Lebensart teilende Zuwanderer in verträglichen Mengen und dezent lebende sexuelle Minderheiten.

Stattdessen mischte sich der Verfassungsschutz Niedersachsen in die Debatte ein und brandmarkte den Stolzmonat als extremistisch:

Angriff oder Gegenangriff?

Im Stolzmonat werden mitunter Grenzen überschritten. Ein Beispiel dafür sind Fälle, bei denen Regenbogenfahnen entwendet und durch Deutschlandfahnen ersetzt werden. Allerdings dürfte das eine Reaktion darauf sein, dass es die Jugendorganisation der Linkspartei zu einem Wettbewerb macht, bei internationalen Fußballturnieren möglichst viele Deutschlandfahnen abzureißen.

Wenn an einer Hochschule das Austauschen einer Regenbogenfahne durch eine Deutschlandflagge nicht als harmloser Studentenstreich gewertet wird, sondern im Lehrkörper Abscheu, Wut und Entsetzen vor einer vermeintlich reaktionären Gesinnung hervorruft, dann lässt dies tief blicken auf ein völlig gestörtes Verhältnis zu den Nationalfarben und dem eigenen Land.

Der Stolzmonat scheint mir weniger ein Angriff auf den Pride-Month zu sein, als vielmehr der Versuch einer Riposte, also eines aus einem parierten Angriff heraus geführten patriotischen Gegenangriffs.

Stolzmonat als Marke

Wer der Angegriffene ist, verschwimmt für mich auch dadurch, dass ein Regenbogen-Aktivist nachträglich die Markenrechte am Begriff „Stolzmonat“ erworben hat. Nun kündigt er an, gegen alle vorgehen zu wollen, die den Begriff fortan nicht als deutsche Übersetzung für Pride-Month, sondern weiterhin im Ursprungssinn verwenden würden. Solche Usurpationen über das Markenrecht sind eine bekannte linke Masche und finanziell über großzügige Förderstrukturen möglich. So erging es auch schon dem Slogan „VTRLND“, der für Vaterland steht. Da von Linken bereits ein Bekenntnis zum eigenen Vaterland offenbar als skandalös angesehen wird, halte ich einen STLZMNT für eine legitime Antwort.

Vorfall in Bad Freienwalde

Zweifel daran, ob Übergriffe tatsächlich ausschließlich von einer Seite ausgehen, schürt für mich zudem ein medial breit rezipierter Vorfall auf einem „Vielfaltsfest“ in Bad Freienwalde im Juni 2025. Gut ein Dutzend junger Leute soll vor Veranstaltungsbeginn, während des Aufbaus, den Austragungsort gestürmt haben und teils mit Schlagwerkzeugen gewalttätig geworden sein. Es gab zwei Leichtverletzte. Die dort gezeigten Fahnen legen eine Verbindung der Veranstaltung zur Antifa nahe.

Der CDU-Bürgermeister spricht lediglich von einer Störung. Beispielsweise sei versucht worden, einen der Störenfriede festzuhalten und der habe daraufhin zugeschlagen (Minute 1:10-1:33). Die Sachlage scheint bei näherer Betrachtung also unübersichtlich zu sein.

So heißt es in einem öffentlich-rechtlichen Videobeitrag zu den Teilnehmern des Vielfaltsfestes, diese seien „überwiegend unbewaffnet“ gewesen (Minute 0:39-0:42). Was das bedeuten soll, wird nicht näher ausgeführt, aber im Hintergrund des Videos ist eine Frau zu sehen, die mit einem Kochtopf zu einem Überkopfschlag gegen einen fliehenden Vermummten ausholt (Minute 0:05 bis 0:10).

Ein öffentlich-rechtlicher Facebook-Beitrag zeigt die weitere Flucht des Vermummten auszugsweise. Mutmaßlich von Teilnehmern des Vielfaltsfestes wird der Flüchtige dabei zweimal gegen eine Wand gestoßen und es wird wieder versucht, ihn festzuhalten. Zudem bekommt er einen Schlaghagel in die Magengrube. Da sich der Vermummte bereits auf der Flucht befand, geht das meiner Meinung nach über Notwehr hinaus, doch Erwähnung findet in der medialen Berichterstattung nur die Gewalt von einer Seite. Ich dokumentiere hier die relevante Videopassage in einem Filmzitat:

Einige Medien werfen den Vorfall mit dem Stolzmonat in einen Topf (ab Minute 3:19), obwohl der Vermummte anscheinend aus dem Umfeld der rechten Kleinpartei Der III. Weg stammt. Er wurde mittlerweile verhaftet und ein Antifa-Rechercheportal hat seine mutmaßliche Identität öffentlich gemacht. Dabei konnte man wie es scheint auf umfangreiches Bildmaterial zurückgreifen, das auf allen möglichen rechten Veranstaltungen geknipst worden sein soll. Solche exzessiven Foto-Dokumentationen im Paparazzi-Stil sind kein Einzelfall. Bei Rechten würde man derlei wohl als das Führen von Feindeslisten bezeichnen. Jedenfalls will die Staatsanwaltschaft keine Angaben zum Verdächtigen machen, weil gegen ihn und seine Familie eine konkrete Bedrohungslage bestehe.

An welchem Ende des Regenbogens lauern die Trolle?

Wenn ich mich beim Blick von der Regebogenbücke Bifröst frage, an welchem Ende eigentlich die Trolle lauern, dann scheinen mir, der Ase Loki und der Riese Utgard-Loki zwei Seiten einer Medaille zu sein. Oder weniger blumig ausgedrückt: Vielleicht hat der Verfassungsschutz recht und der Stolzmonat ist tatsächlich rechtsradikal unterwandert, doch solange Teile des Pride-Months anscheinend ein indifferentes Verhältnis zu den gewaltbereiten Ausläufern der Antifa haben, sollte man um den Pride-Month konsequenterweise ebenfalls einen Bogen machen.